Herr Karst, Sie selbst sind Jurist. Wie würden Sie einen jungen Menschen davon überzeugen, eine handwerkliche Ausbildung zu beginnen, statt Jura zu studieren? Wichtig ist, dass junge Menschen sich selbst intensiv prüfen, wofür sie Leidenschaft empfinden und womit sie sich ein Arbeitsleben lang beschäftigen wollen. Das Handwerk bietet anspruchsvolle Berufe mit ausgezeichneten Aufstiegschancen, sicheren Arbeitsplätzen und guten Verdienstmöglichkeiten.Welche Vorteile bietet eine handwerkliche Ausbildung gegenüber einem Studium?Wer im Berufsleben nicht nur im Büro sitzen, sondern mit seinen eigenen Händen etwas schaffen will, das für andere Menschen einen direkten Nutzen hat, der ist beim Handwerk gut aufgehoben. 130 Ausbildungsberufe stehen zur Auswahl. Da ist mit Sicherheit für jeden etwas Passendes dabei – für Jugendliche, die kreativ werden möchten, ebenso wie für die, die sich ökologisch betätigen wollen oder ein Faible für Hightech haben.Inwiefern haben sich die Anforderungen an Handwerker in den vergangenen Jahren geändert? Wohin entwickeln sich die Berufe?Die Entwicklung in den Handwerksberufen ist zum Teil rasant, vor allem was die Technik anbelangt. Längst wird nicht mehr alles per Hand gemacht, es kommen Spezialmaschinen zum Einsatz. Digitalisierung ist im Handwerk absolut kein Fremdwort. Das gilt nicht nur für das Büro, sondern auch für den Produktionsbereich. Aber was das Handwerk so spannend macht, ist gerade das Nebeneinander von der Beherrschung traditioneller und innovativer Techniken.
Interview mit Peter Karst, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Hannover, über den Reiz handwerklicher Arbeit und die Perspektiven von Auszubildenden

Wie kann man sich später selbstständig machen oder einen Betrieb führen?
Wer das anstrebt, braucht neben dem fachlichen Know-how auch kaufmännischen Sachverstand und Führungskompetenz. Damit man sich auf eine selbstständige Existenz vorbereiten kann, bietet die Handwerksorganisation eine ganze Reihe von Weiterbildungsmaßnahmen an. Hier sind vor allem die Meistervorbereitungslehrgänge zu nennen. Nach der Gesellenprüfung können Handwerkerinnen und Handwerker den Meistertitel anstreben und damit die Königsklasse erreichen. In Niedersachsen wird die bestandene Meisterprüfung derzeit sogar mit einer Meisterprämie in Höhe von 4000 Euro belohnt! Darüber hinaus bieten wir den Studiengang zum geprüften Betriebswirt (HwO) für angehende Führungskräfte an.
In vielen Handwerksberufen herrscht ein Mangel an Fachkräften. Könnte die Ausbildung von Zuwanderern den Bedarf decken?
Im Handwerk haben immer schon Menschen mit ausländischem Pass ihre berufliche Heimat gefunden. Das hat sich seit Beginn der Flüchtlingswelle 2015 deutlich verstärkt, und unsere Mitglieder, die Handwerkerinnen und Handwerker, geben allen eine Chance. Wir als Kammer engagieren uns mit zahlreichen Projekten für die Qualifizierung, Ausbildung und Beschäftigung von Geflüchteten. Das Handwerk bietet allen interessierten jungen Menschen berufliche Perspektiven. Neben der Rekrutierung Jugendlicher werden wir darüber hinaus auch Mittel und Wege finden müssen, um ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter länger in den Unternehmen zu halten.
Viele Handwerksbetriebe haben Nachwuchssorgen, Inhaber suchen verzweifelt Nachfolger. Was können die Betriebe selbst tun, um ihre Zukunft zu sichern?
Inhaber sollten früh Überlegungen anstellen, wer den eigenen Betrieb einmal übernehmen kann. Wenn es in der Familie niemanden gibt, sollte man sich in der eigenen Mitarbeiterschaft umsehen. Bei allen weiteren Fragen und den komplizierten Details hilft die Handwerkskammer Hannover gerne weiter.
Die Politik will in einigen Berufen wieder die Meisterpflicht einführen. Wie würde sich das auf den Markt auswirken?
Im Jahr 2004 wurde in mehr als 50 Berufen das Meisterprivileg aufgehoben. Mit der Reform der Handwerksordnung wollte die Bundesregierung möglichst viele Gründungen im Handwerk erreichen. Wir haben damals prognostiziert, dass die Ausbildungsleistung in vielen Berufen zurückgehen wird und es zu Problemen bei der Qualität der handwerklichen Leistungen zulasten der Verbraucher kommen wird. All das ist inzwischen eingetroffen. Wir hoffen daher sehr, dass für einzelne Berufe wieder eine Meisterpflicht eingeführt wird. Wettbewerbsverzerrungen fürchten wir nicht.
Derzeit haben Handwerksbetriebe gut zu tun – insbesondere im Bausektor. Wie schätzen Sie die weitere wirtschaftliche Entwicklung für das Handwerk ein?
Bei der Frühjahrskonjunkturumfrage zeigten nach wir vor alle Daten nach oben: Auftragseingänge, Umsätze, Beschäftigtenzahlen und Investitionstätigkeiten. Wie sich die gesamtdeutsche wirtschaftliche Lage entwickeln wird, ist zurzeit etwas unsicher, ich wage aber die Prognose, dass es in den allermeisten Handwerksbranchen auch in den kommenden Jahren hervorragend laufen wird.
So können Quereinsteiger Karriere machen
Für Quereinsteiger und insbesondere Studienabbrecher stellen triale Studiengänge eine perfekte Kombination von Praxis und Theorie dar. Die Anforderungen sind zwar hoch, dafür erwerben Absolventen nach viereinhalb Jahren einen Meistertitel und einen Bachelor of Arts. Damit können später Führungsaufgaben in einem Handwerksunternehmen übernommen werden. Die Handwerkskammer Hannover bietet zwei triale Studiengänge an: Das triale Studium Handwerksmanagement B. A. wird gemeinsam mit der Fachhochschule des Mittelstandes (FHM) durchgeführt und zählt derzeit mehr als 60 Studierende. Der triale Studiengang Craft Design startet erstmalig im Sommer 2019. Hier gibt es noch freie Plätze.
Studienabbrecher hat sich für eine Handwerkslehre entschieden

Von Sascha Priesemann
Die Kreissäge dröhnt, Mathis von Zimmermann hat die Holzlatte bereits platziert. Der 23-Jährige setzt zum Schnitt an. Ein Stück Holz fällt herab. „Sauber gemacht“, lobt sein Chef Jörg Depenbrock. Vor wenigen Monaten waren von Zimmermanns Arbeitsmaterialien noch der Laptop, das Smartphone und der Kugelschreiber. Nun aber hantiert er mit Hammer, Säge, Winkelmesser und Wasserwaage.
Von Zimmermann hat sein Studium des Kommunikations- und Eventmanagements abgebrochen und eine Ausbildung im Handwerk begonnen. Und wie sollte es bei seinem Nachnamen anders sein? Von Zimmermann will Zimmermann werden.
Nach dem Abitur sahen seine Pläne noch ganz anders aus. Er träumte davon, große Veranstaltungen zu organisieren, und heuerte deshalb als Eventmanager an. „Ich wollte das unbedingt“, erzählt er. Und das Handwerk? Das kam für ihn zunächst nicht infrage.
Von Zimmermann ging zunächst ein Jahr ins Ausland und begann dann ein duales Studium an einer Fernuniversität in Düsseldorf. Gleichzeitig jobbte er in einer Eventagentur. Die viele Büroarbeit und das theoretische Studium mit großen Anteilen an Betriebswirtschaftslehre langweilten ihn aber schnell. „Da habe ich gedacht, das ist nicht das, was du ein ganzes Leben lang machen willst“, sagt von Zimmermann. Es waren auch nicht die großen Events, die er organisieren sollte. Und wenn, dann war die Veranstaltung schon nach wenigen Tagen wieder Geschichte. „Und dann wird wieder alles abgebaut. Dann fragst du dich, was davon bleibt“, sagt von Zimmermann.
Während er in der Woche am Schreibtisch saß, stand von Zimmermann an den Wochenenden in seiner Werkstatt. Dort bastelte er zumeist mit Holz, aber nicht nur das. Einmal legte er eine Terrasse an. „Da steht man stolz davor und merkt, dass man da was geschaffen hat“, sagt er. Für ihn war deshalb schon bald klar, dass er eine Veränderung braucht.
Er brach sein Studium ab und nahm sich ein Jahr Zeit, etwas Neues auszutesten. Der Holtenser hospitierte bei einem Immobilien-Makler. Am liebsten aber wollte von Zimmermann etwas mit Holz machen. Er machte ein Praktikum bei einem Tischler. „Dort brachte mich ein Kollege auf die Idee, Zimmerer zu werden. Ich habe es ja schließlich im Namen.“
Also probierte er sich bei Depenbrock und Schneider in Gestorf bei Springe aus. Bei dem Betrieb begann er im Sommer schließlich seine Ausbildung. Er ist bereits im zweiten Lehrjahr, das erste konnte er aufgrund seines Studiums überspringen. Die Umstellung auf die körperliche Arbeit fiel ihm nicht einfach. „Als ich die ersten Tage nach Hause kam, musste ich mich direkt hinlegen und schlafen.“
Anders als im Studium geht es nun auch deutlich früher für ihn los. Um 7 Uhr ist Arbeitsbeginn. Für Montagen geht es sogar mal für eine Woche bis nach Osnabrück. Von Zimmermann hilft dabei, Häuser zu errichten oder zu restaurieren. Es macht ihm Spaß. „Es ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl, wenn so ein Haus dann steht“, sagt er.
Vom Studium habe er selbst nicht viel in den Beruf mitnehmen können, berichtet er. Sein Chef sieht das ein wenig anders. „Man erkennt, dass er Kommunikation studiert hat. Er kann den Kunden viel erklären von dem, was wir machen, und so Vertrauen aufbauen“, sagt Depenbrock. Viele Handwerker hätten diese Begabung nicht, könnten manchmal nicht mal Formulare richtig ausfüllen.
Von Zimmermann bereut seine Entscheidung nicht. Auch zum Handwerk hat er eine andere Meinung gewonnen. „Man kann gut verdienen und auch aufsteigen“, sagt er. Je nachdem, ob man Geselle oder Meister ist, passten sich auch die Gehälter an. „Das ist nicht anders als in BWL-Berufen.“ Viele Auszubildenden sehen in der Zimmererausbildung zudem ein Sprungbrett, berichtet Depenbrock. Denn diese verlangt den jungen Menschen mehr als nur das grobe Handwerk ab. Auch mit Statik oder Geometrie müsse man sich auskennen.
Die Klientel der Bewerber sei so eine ganz andere als zum Beispiel bei den Dachdeckern. Zimmerer hätten zumeist die besseren Abschlüsse, planten zudem oft noch ein Studium als Bauingenieur. „Wir hatten einige Azubis, die woanders Karriere gemacht haben. Die Durchlässigkeit zum Studium hat sich deutlich verbessert“, erklärt Depenbrock. Etwa zwei bis sechs Auszubildende hat der Betrieb jedes Jahr.
Doch was würde von Zimmermann den jungen Abiturienten von heute raten? „Man sollte das machen, was einem Spaß macht, und nicht das, was einem am meisten bringt.“ Er schlägt den jungen Erwachsenen vor, sich Zeit bei der Entscheidung zu nehmen und Praktika zu machen. „Die Betriebe sind da sehr offen, außer man hat zwei linke Hände.“ Und die hat von Zimmermann definitiv nicht.