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Weihnachtspost aus aller Welt - Region Süd

Fest, Knalleffekt und Christmas Pudding

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Merry Christmas everyone, Lucia

Unvergessliche Momente sind das größte Geschenk

Lucia Niem aus Rethen lebt für ein halbes Jahr in Südengland

Zum allerersten Mal werde ich Weihnachten ohne meine Familie verbringen. Ohne die üblichen Weihnachtstraditionen: ohne Krippenspiel, ohne großes Familientreffen und mit Raclette am zweiten Weihnachtsfeiertag. Und diese Entscheidung habe ich ganz allein für mich getroffen. Ich bin im Rahmen eines Austauschprogramms in Bournemouth, einer kleinen, schönen Stadt im Süden von England, die ich für etwa ein halbes Jahr mein Zuhause nennen kann. Ich lebe hier bei meiner Gastfamilie, die aus meinen beiden Gastschwestern und meinen Gasteltern besteht, mit denen ich mich super verstehe. Seit September wohne ich hier schon und werde bis April nächsten Jahres bleiben. Ich wollte unbedingt Weihnachten hier feiern, um die britischen Weihnachtstraditionen kennenlernen zu können.


Schon im November wurde der erste Weihnachtsmarkt in Bournemouth aufgebaut, und in vielen Läden erklangen die ersten Weihnachtslieder. Seit Oktober kann man schon Adventskalender und Weihnachtssüßigkeiten in jedem Laden kaufen. Der Weihnachtswahnsinn geht also auch hier schon sehr früh los. Genau wie in Deutschland gibt es hier viele Weihnachtstraditionen. Dazu gehört das Verschicken von Weihnachtskarten, den Christmas Cards. Jedes Jahr vor Weihnachten verschicken britische Familien teilweise mehr als 100 Karten. Mit den erhaltenen Karten wird – auf Schnüren aufgereiht – das ganze Haus dekoriert. Es gilt als sehr unhöflich, eine Karte von jemandem zu bekommen, den man selbst nicht berücksichtigt hat. Das ist der Grund, warum so viele Karten verschickt werden: Es soll auf keinen Fall irgendjemand vergessen werden. Meine Gastfamilie hat die ersten Karten schon Mitte November erhalten.

Eine andere Tradition sind die sogenannten Christmas Cracker (Knallbonbons), die jedes Jahr zu den Weihnachtsköstlichkeiten auf den Tisch kommen. Traditionell liegt auf jedem Teller ein Knallbonbon. Zwei sich gegenübersitzende Personen ziehen an jeweils einem Ende des Bonbons, bis dieses in der Mitte explodiert und in zwei ungleiche Teile zerbricht. Die Person, die nun das größere Ende in der Hand hält, darf den Inhalt behalten. Die Knallbonbons enthalten meistens kleine Spielzeuge, einen Witz, Luftschlangen, eine Papierkrone oder ein Horoskop. Die Papierkrone setzen sich die erfolgreichen „Knallbonbon-Duellanten“ während des Christmas Dinners auf den Kopf. Wer immer den Kürzeren gezogen hat, geht leer aus.

Der größte Unterschied zum Weihnachtsfest in Deutschland ist aber vermutlich das Datum der Bescherung. Während meine Familie in Deutschland am Heiligabend einen schönen gemütlichen Abend mit Geschenken unterm Tannenbaum verbringt, hat Weihnachten hier noch gar nicht angefangen. Ich vermute, dass mir dann der Skype-Anruf zu Hause doch etwas schwerfallen wird. Ich freue mich auf jeden Fall schon sehr auf das Weihnachtsessen am 25. Dezember mit Truthahn und Christmas Pudding und vielen anderen Dingen, die ich noch nie in meinem Leben probiert habe. Natürlich wird mir meine Familie sehr fehlen, und aus diesem Grund sende ich von hier die besten Grüße und wünsche meiner Familie und allen Lesern ein schönes Weihnachtsfest. Lucia Niem

Unvergessliche Momente sind das größte Geschenk

Antje Bismark, Leiterin der Lokalredaktion Nord, hat beruflich viele Menschen an Heiligabend begleitet – und auch überrascht

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Manfred und Brigitte Negelmann packen Geschenke für die Weihnachtsstube ein. DOMINIIK FLINKERT

Heiligabend unter dem Weihnachtsbaum? Mit der Familie gemütlich zusammensitzen und warten, dass der Weihnachtsmann an die Tür klopft und die Geschenke verteilt? Ja, diese besonderen Momente kennen auch Journalisten. Aber: Gerade Lokaljournalisten schauen an diesem Tag bei vielen anderen Menschen vorbei, deren Weihnachtsfest nicht nach dem Standardmuster mit Familientreffen, Kartoffelsalat und Würstchen oder Fondue verläuft.

Da gibt es jene, die am Heiligabend arbeiten müssen – das Leben geht eben in vielen Bereichen auch an solchen Feiertagen weiter. Natürlich berichten lokale Zeitungen immer mal wieder von Polizisten, die sich mit Lebkuchen durch den Abend trösten und hoffen, dass die weihnachtliche Stimmung nicht kippt und sie häuslichen Streit schlichten müssen. Ich entsinne mich an einen Heiligabend in den 1990er-Jahren, als wir uns mit einem Weihnachtsmann vor der Langenhagener Wache verabredet hatten und die Diensthabenden überraschten. Sie freuten sich über die willkommene Abwechslung – ebenso wie Schwestern und Pfleger im Krankenhaus Großburgwedel, als ein Chor dort die Patienten und Beschäftigten mit einem kurzen Ständchen in Weihnachtslaune versetzte.

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Denn auch das gehört zu Heiligabend: Menschen, die ihre freie Zeit geben, um anderen einen unvergesslichen Moment zu schenken. So öffnet seit Jahrzehnten die Weihnachtsstube der Emmausgemeinde in Langenhagen und lädt Menschen zu einer Feier ein, die sonst allein vor dem Fernsehgerät sitzen würden. Die Ehrenamtlichen bereiten kleine Bastelarbeiten vor, es gibt traditionell ein gemeinsames Essen, stimmungsvolles Licht und natürlich auch Weihnachtslieder zum Mitsingen. Die Stimmung: warmherzig und vielleicht weniger angespannt als in so mancher Familienrunde. Wer am späten Heiligabend in seine – vielleicht andeleere Wohnung – zurückkehrt, fühlt sich deshalb in besonderer Weise beschenkt. Das wiederum gilt auch für Lokaljournalisten, die solche Situationen erleben und beschreiben dürfen. Und insofern haben der Heiligabend und das Weihnachtsfest auch für Menschen, die an diesen Tagen arbeiten, einen besonderen Reiz – der sich hoffentlich vielfältig auch in diesem Jahr wieder einstellt, bei Hauptberuflichen und bei Ehrenamtlichen. Antje Bismark