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BERUFSPERSPEKTIVEN

„Pflege lebt von Weiterentwicklung“

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HOFFT AUF MEHR ZULAUF FÜR DEN PFLEGEBERUF: Jens Berelsmann ist Altenpfleger und Ausbildungsbeauftragter der Stadt Hannover. Peter Steffen

Hebammenausbildung jetzt an der Hochschule

Interview mit JENS BERELSMANN, Altenpfleger und Ausbildungsbeauftragter ­ der Stadt Hannover und Mitglied der Kammerversammlung

Das Pflegeberufegesetz hat zum 1. Januar 2020 die bisherigen Gesetze der Alten- und Krankenpflege zusammengeführt und durch die Vereinheitlichung der Ausbildung einen neuen, gemeinsamen Beruf geschaffen: Pflegefachfrau und Pflegefachmann. Die neue Ausbildung stellt die Pflegebedürfnisse aller Menschen in den Fokus. Pflege lebt von der Weiterentwicklung, Wissen in dieser Profession ist nicht statisch, sondern höchst dynamisch, lebenslanges Lernen auch im Beruf eine Grundvoraussetzung. Auszubildende erwerben Kenntnisse und Kompetenzen, die im gesamten Berufsleben eine Handlungsfähigkeit, die Anpassung an individuelle Bedürfnisse sowie Anforderungen an die jeweiligen Arbeitsumfelder ermöglichen. Wichtig ist: Es wurden nicht drei Berufe zu einem vereint, sondern aus den unterschiedlichen Anforderungen des Pflegealltags wurde ein neuer Beruf geschaffen.
   

Warum wurde reformiert?

Alle Sektoren der Pflege brauchen mehr Personal. Durch die neue generalistische Ausbildung soll der Beruf attraktiver werden. Ein Beispiel: Die Kompetenzen der Altenpflege werden in der stationären Akutpflege immer wichtiger – besonders hochbetagte Patienten sind neben den Erkrankungen zusätzlich oft noch von Demenz betroffen. Diese Patientengruppe hat also einen besonderen Bedarf, der gegenwärtig nicht umfassend durch Krankenpflegepersonal gedeckt werden kann. Bewohner, die in der ambulanten oder stationären Langzeitpflege versorgt werden, weisen dafür immer mehr chronische und multiple Erkrankungen auf, die durch immer kürzere Verweildauern in Krankenhäusern wie auch der medizinischen Weiterentwicklung komplexere Behandlungspflegen erfordern. Europäisch gesehen ist Deutschland in dieser Entwicklung eher ein Schlusslicht. Pflege wird in den anderen Ländern Europas schon lange generalistisch ausgebildet, der Abschluss Pflegefachfrau/Pflegefachmann ist europaweit anerkannt.

Was sind die Vor- und Nachteile?

Durch das Pflegeberufegesetz erlebt die Pflege eine deutliche Aufwertung. Kernkompetenzen, etwa den Pflegebedarf erheben, den Prozess steuern und die Qualität sicherstellen – sind nun im Gesetz verankert und zeigen, dass Pflege und Medizin in ihren Bereichen gleichwertig sind. Die neue Ausbildung ist deutlich praxisorientierter. Auszubildende können durch die vielen Praxiseinsätze in allen Bereichen der Pflege zu einem Bindeglied zwischen den bisher bestehenden spezialisierten Pflegeberufen werden. Das führt zu mehr Verständnis und Anerkennung untereinander und zu einer Stärkung nach außen. Allerdings ist zu bedenken: Die neue Ausbildung schafft eine breite Basis, doch die eigentliche Spezialisierung beginnt danach. Abzuraten ist von einer zunächst bis 2025 weiterhin vorhanden Möglichkeit, im dritten Lehrjahr aus dem Weg der generalisierten Ausbildung auszusteigen und einen Abschluss als Kinderpfleger und Kinderpflegerin oder als Altenpfleger und Altenpflegerin zu erwerben. Diese Abschlüsse sind weder leichter noch schwerer zu erhalten, beschränken aber deutlich die zukünftige Einsatzfähigkeit.

Was muss noch geschehen, um den Beruf attraktiver zu machen?

Die Pflege ist von großer gesellschaftlicher Relevanz. Nach einer fundierten Ausbildung hat man in diesem Beruf viele Einsatzmöglichkeiten. Generell wünsche ich mir, dass bei der Pflege mehr der Mensch im Fokus steht und nicht so sehr die Unternehmensbilanz. Ich finde, Zeit für ein freundliches Wort, Momente des gemeinsamen Lachens aber auch Situationen, in denen schwere Lebensphasen gemeinsam ausgehalten werden, lassen sich schwerlich in Gewinn- oder Verlustrechnungen darstellen. Pflege muss gesellschaftlich die Anerkennung finden, die ihr zusteht. Ich sehe Pflege als Aufgabe, die die Kommunen mit großer Verantwortung wahrnehmen. Deshalb arbeite ich mit Freude mit engagierten Kollegen und Kolleginnen im Betrieb der Städtischen Alten- und Pflegezentren der Landeshauptstadt Hannover.

Gibt es eine Teilzeitausbildung?

Eine Teilzeitausbildung ist nach dem Pflegeberufegesetz angedacht – allerdings ist hier noch unklar, wie die verschiedenen Einsatzzeiten adäquat verteilt werden können. Eine dreijährige Ausbildung ist empfehlenswert. In den städtischen Einrichtungen sind familienfreundliche Arbeitszeiten innerhalb der Ausbildung eine Option, gleichzeitig ist unsere Ausbildungsvergütung nach Tarif auf einem hohen Niveau.

INTERVIEW: MARTINA STEFFEN

„Die neue Ausbildung schafft eine breite Basis, doch die eigentliche Spezialisierung beginnt danach."

Jens Berelsmann
Altenpfleger und ­Ausbildungsbeauftragter ­ der Stadt Hannover

Hebammenausbildung jetzt an der Hochschule

Hebammen erlernen ihren Beruf ab diesem Jahr im Rahmen eines Hochschulstudiums. Der Bundestag hatte im September 2019 eine entsprechende Reform verabschiedet. Die Ausbildung besteht nun aus einem drei- bis vierjährigen Bachelorstudium mit hohem Praxisanteil und einer staatlichen Abschlussprüfung. Die Reform soll Hebammen auf die gestiegenen Berufsanforderungen vorbereiten und die Ausbildung moderner und attraktiver machen. Hebammen arbeiten sehr selbstständig und unabhängig. Deshalb müssen sie über umfassende Kenntnisse verfügen und aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse haben. Sie begleiten komplexe physiologische und psychische Prozesse und haben eine große Verantwortung. Für das Studium sind nun grundsätzlich eine zwölfjährige allgemeine Schulausbildung oder eine abgeschlossene Ausbildung in einem Pflegeberuf Voraussetzung. In allen anderen EU-Mitgliedsstaaten findet die Hebammenausbildung bereits an Hochschulen statt.