Wegen der Corona-Pandemie hat sich die Gemeinschaft für Handel und Gewerbe in Seelze (HGS) im Schulterschluss mit der Verwaltung erstmals dazu entschieden, den gemeinsamen Neujahrsempfang in digitaler Form stattfinden zu lassen. Und so ähnelte das Rathausfoyer an diesem Sonntagvormittag dann auch eher einem Fernsehstudio als an den Eingangsbereich eines öffentlichen Verwaltungsgebäudes.
Gewerbetreibende in Seelze zeigen sich kreativ und trotzen der Corona-Krise
Mehrere Stunden hatten Benjamin Huk von der Firma Beat Boy und Andreas Barthel von Independent Entertainment dafür benötigt, um Kameras, Mischpulte, Mikrofone und Rechner für die Übertragung zu installieren. Das Ergebnis ist eine etwa 37-minütige Aufzeichnung mit Ansprachen von Bürgermeister Detlef Schallhorn und dem HGS-Vorsitzenden Dr. Thomas Meyer, Neujahrsgrüßen der Ortsbürgermeister aus den einzelnen Ortsteilen, musikalischen Grüßen aus der Musikschule und einem virtuellen Streifzug durch das Seelzer Ehrenamt. Als Moderatorin führt Svenja Scandolo durch das Programm, die in Seelze vor allem als Aktive bei den Zeitreisenden bekannt ist.
HGS wünscht sich Citymarketing
Während Bürgermeister Detlev Schallhorn nicht ohne Stolz auf das Wachstum der Obentrautstadt blickte und das Erreichen der 40 000 Einwohnergrenze als realistisches Ziel bezeichnete, mahnte der HGS-Vorsitzende Dr. Thomas Meyer an, bei der Entwicklung der Infrastruktur nicht nur auf Kindergartenplätze und den Neubau von Schulen zu setzen, sondern auch die Entwicklung eines erfolgreichen Einzelhandelkonzepts nicht zu vernachlässigen.
„Wir setzen seit Jahren darauf, eine bessere Infrastruktur nicht nur in Bezug auf Kinderbetreuung, sondern auch auf Einzelhandelskonzepte und die Entwicklung in der Innenstadt zu schaffen“, sagt der HGS-Vorsitzende. Ohne die Unterstützung aus dem Rathaus könnten ehrenamtliche Vereine wie die HGS das allerdings nicht leisten. Zum wiederholten Male wünschte sich Meyer ein Citymarketing, in dem gemeinsame Ideen und Projekte gebündelt und realisiert werden können. Dazu zählten beispielsweise auch Gespräche mit Immobilieninhabern, um Leerstände in der Innenstadt zu beenden.
„Um für die Bürger attraktiv zu sein, brauchen wir eine gute Infrastruktur bei Einzelhandel, Gastronomie, Handwerk und Dienstleistung“, sagt Meyer. Es reiche nicht, nur Apotheken, Friseure, Optiker, Schreibwaren und andere Dienstleister in der Innenstadt zu haben. Was Seelze fehle, seien schöne Geschäfte mit einem hochwertigen Angebot, die zum Bummeln einladen. Insbesondere in den südlichen Stadtteilen hätten sich viele junge Familien angesiedelt. Mit dem vierten Bauabschnitt in Seelze-Süd kämen weitere hinzu. Um diese Familien zum Einkaufen in die Innenstadt zu holen, müsse ein entsprechendes Angebot da sein. Davon würden am Ende auch die Gewerbetreibenden profitieren - vor allem mehr, als wenn die potentiellen Kunden zum Einkaufen in die Nachbarkommunen fahren.
Besondere Herausforderung
Fast alle Betriebe stellt die Pandemie vor besondere Herausforderungen, und viele suchen und finden Alternativen. Friseurmeister Timo Fuchs beispielsweise hat in seinem Geschäft dreizehn große Blumenvasen auf dem Boden verteilt, darin stehen Lilien, Tulpen, Callas und Schleierkraut. Dazu ist das Geschäft von 9 bis 22 hell erleuchtet, und mit einer DIN-A4-großen Ansprache an der Ladentür wendet Timo Fuchs sich direkt an seine Kunden.
„Ich möchte damit ein Zeichen setzen, dass wir noch hier sind. Meine Mitarbeiter und ich – das ganze Team- vermisst die Kunden“, sagt der Friseurmeister, der schon während des ersten Lockdowns im Frühjahr vergangenen Jahres dazu gezwungen war, sein Geschäft für sechs Wochen zu schließen.
Nun hofft Fuchs, dass der Lockdown bald vorbei ist und er seine Kunden wieder begrüßen kann. „Die ausgefallenen Termine von Dezember, Januar und Februar werden wir vorziehen“, sagt Fuchs. Um alles bestmöglich umzusetzen, wolle er Schichtpläne erstellen. Doch auch wenn die frühlingshafte Dekoration ein Zeichen der Hoffnung senden soll, bleibe die Existenzangst bestehen.
Auch Colin Alders und Sabrina Roth, Inhaber der Firma Lichtklang, haben schwere Zeiten hinter sich. Normalerweise sorgen sie bei Veranstaltungen dafür, dass mit Licht und Ton alles klappt. Mit Beginn der Corona-Krise sind jedoch sämtliche Großveranstaltungen und Messen vorerst Geschichte. Für Lichtklang bedeutet das einen zeitweisen Umsatzrückgang von 100 Prozent.
Alternative Einnahmequelle
Als Reaktion auf die neue Situation haben Alders und Roth nun ein Aufnahmestudio als alternative Einnahmequelle eingerichtet. Dort können Auftraggeber nun Aufnahmen anfertigen lassen, die im Gegensatz zu einem Auftritt in häuslicher Atmosphäre zu einem ganz anderen Resultat führe. „Es ist immer eine besondere Position, direkt vor der Kamera zu stehen, das führt zu einer anderen Ausstrahlung“, erklärt Alders.
Sollte es dem Kunden nicht möglich sein, ins Gewerbegebiet nach Seelze zu kommen, kommt Lichtklang eben direkt zum Kunden. „Alles, was wir hier haben, kann auch transportiert werden“, so Alders. Auch wenn der pandemiebedingte Wechsel von Präsenzveranstaltungen hin zu digitalen Angeboten ein kleiner Lichtschimmer ist, hoffen Colin Alders und Sabrina Roth darauf, bald auch wieder auf Messen, Konzerten, Stadtfesten und anderen Veranstaltungen aktiv werden zu können.