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Weihnachtspost aus aller Welt

Frühlingsrolle und Gänsekeule

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Der Vietnamese Dong Quoc-Tran verkleidet sich Heiligabend als Weihnachtsmann. FOTOS: CAROLA FABER

Wenn Dong Quoc-Tran Weihnachten feiert, unterscheiden sich die Speisen auf dem festlich gedeckten Tisch ein wenig von denen der meisten anderen Wunstorfer Familien. Es gibt Reissuppe, Frühlingsrolle, Hähnchen und Currys – aber eben auch Gänsekeule und Rehgulasch mit Rotkraut. Je nach Jahreszeit bereitet der Vietnamese ab und zu sogar Grünkohl zu. „Ich liebe Grünkohl und auch Schlachteplatte“, sagt Dong Quoc-Tran, der vor 40 Jahren nach Deutschland gekommen ist, und schmunzelt.

Dong Quoc-Tran (52) aus Wunstorf feiert Weihnachten mit seiner Familie an einer großen Tafel mit vielen unterschiedlichen Speisen

"Ich bin in Deutschland christlich erzogen worden und kein streng gläubiger Buddhist. Der kleine Altar, der im Gedächtnis an meine verstorbenen Eltern täglich bestückt wird, soll meine Familie an die Tradition erinnern."

Als Zwölfjähriger floh er aus seiner Heimat, dem kommunistischen Südvietnam. Zusammen mit zehn anderen Waisenkindern landete er in der Hildesheimer Diakonie, wurde später von einer Adoptivfamilie aufgenommen und begann sehr bald mit einer Kochausbildung. „Die anderen zehn Flüchtlinge haben fast alle Karriere gemacht. Einige tragen jetzt sogar einen Doktortitel. Ich wollte aber möglichst schnell Geld verdienen, um meine Familie und Geschwister zu Hause zu unterstützen“, berichtet Dong Quoc-Tran, der sich noch gut an die einsamen Zeiten in seiner Kindheit erinnern kann.

Deutschland kannte er bis zu seiner Ankunft nur durch die Fußball-Weltmeisterschaft von 1974. Rummenigge, Beckenbauer – das seien auch in Vietnam bekannte Spieler gewesen. Dass es ihm gelungen ist, sich zu integrieren, habe daran gelegen, dass er die Sprache schnell gelernt hat und sich mit anderen Kindern zum Spielen verabredete. „Wer überleben will, muss klug sein, lernen, Ziele entwickeln und natürlich hart arbeiten“, erklärt der Vietnamese seine Philosophie und fährt fort: „Ich bin in Deutschland christlich erzogen worden und kein streng gläubiger Buddhist. Der kleine Altar, der im Gedächtnis an meine verstorbenen Eltern täglich bestückt wird, soll meine Familie an die Tradition erinnern. Diese soll nicht verloren gehen“, sagt der heute 52-Jährige.
  

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Dong Quoc-Tran mit einem buddhistischen Mondkalender.

Für die Buddhisten ist das Neujahrsfest der bedeutendste Feiertag im Jahr. Das Datum variiert, denn es richtet sich nach dem Mondkalender. Im kommenden Jahr wird das Fest am 25. Januar gefeiert. „Eltern kaufen für ihre Kinder neue Kleidung und schenken ihnen kleine bunte Glückstüten mit etwas Geld. Danach beginnt das Festessen“, berichtet Dong Quoc-Tran.
  

Für ihn gehört zu einem typischen vietnamesischen Festessen ein ganzes Hähnchen, das von Spanferkelfleisch und Wurststückchen eingerahmt ist, sowie frisches Obst. Als Dessert empfiehlt er mit frischem Ingwer gekochte schwarze Bohnen, die mit braunem Zucker, Honig sowie gerösteten Erdnüssen und Sesam bestreut werden. Wer mag, kann die Süßspeise mit Kokosmilch verfeinern.
 

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Der kleine Altar vor der Tür soll an buddhistische Traditionen erinnern.

„Ob in Vietnam Der Vietnamese Dong Quoc-Tran verkleidet sich Heiligabend als Weihnachtsmann. FOTOS: CAROLA FABER oder in Deutschland, bei unseren Festessen werden immer alle Speisen auf einer großen Tafel angerichtet“, sagt der Koch. Wenn seine vier erwachsenen Töchter an Heiligabend nach Wunstorf kommen, bringen sie ihre Ehemänner und Freunde sowie ihre kleinen Kinder mit. „Dann geht es hier sehr fröhlich zu. Ich verkleide mich als Weihnachtsmann und verteile die Geschenke. Anschließend wird das Büfett eröffnet“, sagt der stolze Familienvater. Er freue sich sehr auf die Stunden im Kreise seiner Familie. Diese Zeit sei kostbar und rar. Denn schon am ersten Weihnachtsfeiertag sind die Türen seines Restaurants Mui Ne – Original Süd-Vietnamesisch an der Hindenburgstraße in Wunstorf wieder geöffnet. Dann beginnt die Arbeit für ihn, während andere noch feiern. Carola Faber