Sind Sie bereits Abonnent? Hier anmelden

 

Sind Sie bereits Abonnent? Hier anmelden

Anzeige

Der Assistent bremst mit

Der Assistent bremst mit Bildunterschrift anzeigen Bildunterschrift anzeigen

Moderne Sicherheitssysteme im Auto eröffnen viele neue Möglichkeiten, können den Fahrer aber auch schnell überfordern. Foto: iStockphoto.com/metamorworks

Moderne Systeme helfen, Unfälle zu vermeiden

Von Markus Beims Vor mehr als 40 Jahren wurde hierzulande das erste Antiblockiersystem (ABS) in einem Oberklassefahrzeug vorgestellt. Im Laufe der Zeit kamen viele weitere Fahrerassistenzsysteme hinzu, zunächst allerdings hauptsächlich in Premiumfahrzeugen. Zahlungskräftige Kunden konnten sich die teuren Sicherheitssysteme leisten, Fahrer kleinerer Autos schauten dagegen in die Röhre.

Moderne Autos verfügen über eine Vielzahl von Sicherheitssystemen – Fahrer sollten sich intensiv damit auseinandersetzen

Sicherheit nur gegen Bares? Gesetzgeber und Autoindustrie haben gleichermaßen den Weg geebnet, damit heutzutage nahezu alle Fahrzeugklassen über die grundlegenden Sicherheitsassistenten verfügen. Um den hohen Anforderungen des Euro-NCAP-Crashtests zu genügen, sind Standards wie ABS, ESP, Insassenschutz und Fußgängerschutz unerlässlich.

Moderne Sicherheitssysteme haben sicherlich ihren Preis, doch im Ernstfall können sie Gesundheit und Leben bewahren. Grundsätzlich gilt: Je höher (und teurer) das Fahrzeugsegment ist, umso mehr Assistenten sind serienmäßig an Bord. In den kleineren Klassen dagegen verlangen die Hersteller häufig einen Aufpreis für manch wertvollen Assistenten. Käufer sollten sich daher bei der Konfiguration ihres Fahrzeugs nicht nur für Lederausstattung, Alufelgen und Infotainmentsysteme interessieren, sondern auch einen Blick auf die optionalen Sicherheitssysteme werfen. Hier schnürt jeder Hersteller seine eigenen aufpreispflichtigen Pakete. Demnach werden einzelne Systeme wie ein Fernlichtassistent bereits ab 150 Euro angeboten, während ganze LED-Lichtpakete mehr als 2000 Euro Aufpreis kosten können.

Der Assistent bremst mit-2

"Insgesamt rechnen wir damit, dass ungefähr 50 Prozent aller Unfälle durch Fahrerassistenzsysteme entweder vermieden oder zumindest in den Folgen verringert werden könnten."

Julia Fohmann,
Pressesprecherin des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR)

Kollisions- und Spurhaltewarner, Licht- und Regensensor, Rückfahrkameras und Einparkhilfen sind also längst nicht mehr den höheren Fahrzeugklassen vorbehalten. Und neben der Sicherheit spielt bei manchen Helfern zugleich der Komfortgewinn eine Rolle. Experten setzten allerdings Prioritäten. „Bei Pkw steht der Notbremsassistent an erster Stelle. Dieser wird immer besser und reagiert auch auf Fußgänger oder Autos, die von der Seite kommen. Beim Abstandsregeltempomat ist neu, dass dieser jetzt auch selbstständig auf Schilder der Geschwindigkeitsbegrenzung reagiert“, erklärt Julia Fohmann, Pressesprecherin des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR).

Ab 2022 Pflicht

Für mehr Sicherheit im Straßenverkehr müssen neu zugelassene Autos ab dem Jahr 2022 verpflichtend mit einer ganzen Reihe elektronischer Kontrollsysteme ausgestattet werden. Demnach werden künftig rund 30 Sicherheitsfeatures installiert. So soll etwa bei übermäßigem Alkoholkonsum des Fahrers der Start des Motors verhindert werden. Auch Warnsysteme, die den Fahrer bei Müdigkeit oder Ablenkung alarmieren, sollen zur Pflicht werden. „Notbremsassistent und Spurhalteassistent müssen dann ebenfalls serienmäßig verbaut sein“, so Fohmann.

Wenngleich ältere Fahrzeuge mit nur wenigen Sicherheitssystemen Bestandsschutz genießen, überlegt so manch Autobesitzer, ob er seinen noch gut erhaltenen Wagen nicht vielleicht mit moderner Technik nachrüsten sollte. Die Preisspanne reicht auch hier von wenigen Hundert Euro bis hin zu vierstelligen Summen. Daher sollte genau abgewogen werden, ob sich die Investition finanziell für ein älteres Auto noch lohnt, denn „die nachrüstbaren Assistenzsysteme sind sinnvoll, sie haben aber bei Weitem nicht den Funktionsumfang wie die von vornherein eingebauten Systeme“, erklärt DVR-Presseprecherin Fohmann. Und weiter: „Die Nachrüstsätze können nur warnen, wenn man zum Beispiel die Spur verlässt, ein Fußgänger kreuzt oder man zu schnell auf den Vordermann auffährt. Sie können aber nicht selbstständig bremsen oder die Spur halten“, warnt Fohmann. Wichtig sei zudem, dass der Einbau dieser nachgerüsteten Systeme ausschließlich vom Fachmann durchzuführen ist.

Gefahr der Überforderung

Sobald der Wechsel auf ein neueres Fahrzeug ansteht, sollten sich die künftigen Fahrzeugführer intensiv mit den Systemen auseinandersetzen. Ein moderner Spurhalteassistent beispielsweise greift aktiv in das Geschehen ein und lenkt den Wagen in die richtigen Bahnen. Dieses kann bei Unwissenden allerdings einen gehörigen Schrecken hinterlassen, verspürt man doch das Gefühl, da zerre jemand Fremdes am eigenen Lenkrad. Schnell führt ein System, das eigentlich der Sicherheit dient, zu einer Überforderung für den Fahrer. „Tatsächlich besteht diese Gefahr. Dann können Anzeigen und Warnungen irritieren und unerwartete Eingriffe des Systems überraschen“, so Fohmann. Deshalb sei es wichtig, sowohl ein allgemeines Verständnis zu bekommen, wie die Systeme im eigenen Auto funktionieren und sich bedienen lassen, als auch diese soweit möglich einmal unter sicheren Bedingungen auszuprobieren.

Die moderne Fahrzeugwelt mit digitalen Cockpitanzeigen und elektronischen Helfern mag nicht jedermanns Sache sein, doch alles, was der Sicherheit dient, sollte angenommen werden. „Insgesamt rechnen wir damit, dass ungefähr 50 Prozent aller Unfälle durch Fahrerassistenzsysteme entweder vermieden oder zumindest in den Folgen verringert werden könnten“, sagt Fohmann.

Moderne Systeme helfen, Unfälle zu vermeiden

Die Polizei Hannover beobachtet eine Vielzahl von Unfallschwerpunkten – von der Kreuzung in der Innenstadt bis hin zu den Bundesautobahnen 2 und 7.

„Aus Sicht unseres Verkehrsdezernenten könnten Assistenzsysteme, die etwa den Abstand zum voranfahrenden Wagen kontrollieren oder beim Abbiegen den toten Winkel überwachen, einen wertvollen Beitrag zur Steigerung der Verkehrssicherheit leisten“, sagt Polizeihauptkommissar Nils Weber von der Polizei Hannover. Immer häufiger werden Fahrrad- und Pedelecfahrer im Stadtgebiet Opfer abbiegender Lkw, die noch nicht über ein entsprechendes Warnsystem verfügen. Als weiteres Beispiel führt die Polizei Hannover die Verkehrsunfalllage auf der A 2 an. Im Jahr 2018 kamen dort im Abschnitt der Polizei Hannover 15 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben. Dies waren zwölf Opfer mehr im Vergeich zum Vorjahr. „Von diesen 15 Unfallopfern wurden 13 unter Beteiligung eines Lastwagen getötet. Die stark ansteigenden Zahlen lassen sich im Wesentlichen auf am Stauende auffahrende Lkw insbesondere in Baustellen zurückführen“, erklärt Polizeihauptkommissar Weber. Eine Abstandserfassung und -warnung, verbunden mit einer automatisch einsetzenden Bremsung des Lkw, könnte dieser Problematik entgegenwirken, ergänzt der Verkehrsexperte.

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) führt eine eigene Statistik zu den Bundesautobahnen. „Über die niedersächsischen Unfälle auf Autobahnen gibt es Unfallstatistiken für Lkw mit und ohne Notbremsassistent. Die Lkw mit Assistent sind in rund zwei Drittel weniger Unfälle verwickelt als die ohne“, sagt DVR-Sprecherin Julia Fohmann.